Vorwort
Es ist fast ein Gemeinplatz, dass Musik die Grenzen überwindet, Menschen mit verschiedener Geschichte rühren und eine Brücke zwischen Kontinenten bauen kann. Natürlich gab und gibt es auch in den bildenden Künsten immer Auseinandersetzungen mit Kunst, die andernorts und zu anderer Zeit geschaffen wurde, Befruchtungen und Einkreuzungen. Aber selten kann die Vermittlerrolle - und sei es auch eine bescheidene, was ihre Reichweite angeht - so klar dargestellt werden, wie es hier in diesem Band zur Kunst und Kunstvermittlung von Br. Berchmans Brückner geschieht. Liebevoll und unsentimental, wie Berchmans Brückner wohl selbst auch war, skizziert Leo Leeb sein Leben und Schaffen in China.
16 Jahre lang (1933-1948) war Berchmans Brückner Lehrer an der katholischen Fu Ren Universität in Beijing, wo er chinesische Studenten in moderne Malerei, Perspektivik, Kunsttheorie und Kunstgeschichte des Westens eingeführt hat, oft 26 Wochenstunden lang. Die christliche Malschule, die er förderte, präsentierte sich erfolgreich in einer Weihnachtsbilder-Ausstellung im Herbst 1934, bei der junge chinesische Künstler erste Verkaufserfolge erzielen konnten.
Berchmans Brückner war aber auch selbst ein produktiver Künstler: aus seinen Gemälden und Aquarellen tritt uns das „alte“ Beijing entgegen, mit seinen Stadttoren und Vororten, die es längst nicht mehr gibt.
Aus seinen Tagebüchern spricht die tiefe Verbundenheit mit China, dem Land, dem er 26 Jahre seines Lebens schenkte. Der Abschied fiel ihm schwer, wiewohl Peking 1948 und 1949 umkämpft war und die Unsicherheit der weiteren Entwicklung im Lande mit ihren möglichen Auswirkungen auf Ausländer im Allgemeinen und Christen im Besonderen ihn bedrückte.
In Hongkong, einer wichtigen Etappe seiner Ausreise aus China, liest er eine kurze Autobiographie von Mao Ze Dong und notiert, dass er ihn gut versteht, weil Menschen eben Menschen seien. Von Rom aus noch hielt er mit bescheidenen Postkarten, wie er in seinem Tagebuch notiert - Kontakt zu seinen alten Künstlerfreunden in China.
Wenn ich das nächste Mal vom Kohlehügel auf die verbotene Stadt blicke, vorausgesetzt das Wetter ist klar, werde ich Berchman Brückners Perspektive suchen, wie sie uns aus einem seiner Aquarelle überliefert ist.
Irene Giner-Reichl