Br. Berchmans Brückner
Br. Berchmans Brückner: Ein Lebensbild
Br. Berchmans Franz Brückner wurde am 3. Dezember 1891 als sechstes Kind des Ehepaares Wilhelm und Elisabeth Brückner in Wien geboren. Sein Vater war Schneidermeister. Nach dem frühen Tod des Vaters zog der kleine Franz mit seiner schon kränklichen Mutter in deren Heimat nach Budweis (Tschechei). Dort besuchte er zwei Jahre lang die tschechische Volksschule. Im Jahr 1900 starb auch seine Mutter, und er kam wieder zurück nach Wien. Nach der Volksund Bürgerschule in Wien absolvierte Franz das Lehrerseminar, und im Jahr 1912 erhielt er in Wien eine Anstellung als Volksschullehrer. Im August 1914 rückte er als Freiwilliger ein, zuerst für einen einjährigen Einsatz, aber es wurden vier Jahre daraus, und er diente in den Karpaten, am Isonzo und bei Trient. 1918 rüstete er im Rang eines Oberleutnants ab. Vor dem Osterfest des Jahres 1919 machte Franz Brückner Exerzitien im Missionshaus St. Gabriel bei Wien und entdeckte dabei seine Berufung zum missionarischen Ordensleben. Im August 1919 trat er als Postulant bei den Steyler Missionaren in St. Gabriel ein. Er wollte Missionar und Ordensbruder werden und erhielt den Ordensnamen „Berchmans“. Die Ordensbrüder der Steyler Missionare arbeiteten damals als Handwerker, Drucker oder Baumeister in den Missionsgebieten des Ordens. Nur wenige Ordensbrüder waren Lehrer. Br. Berchmans legte 1921 die ersten Gelübde ab. 1923 erhielt er die Missionsbestimmung für China, wo die Steyler Missionare in Shandong ein grosses Missionsgebiet betreuten. In China nahm Bruder Berchmans den chinesischen Namen „Bai Linai“ an.
Rückblickend auf seine Reise nach China und seinen weiteren Lebensweg schrieb Br. Berchmans: „Southhampton, Suez, Aden, Colombo, Singapur und, nach 40 Tagen Himmel und Meer, Shanghai - China! Und per Bahn weiter in die Heimat des Konfuzius, in die Mission des guten Bischofs Henninghaus. Am 29./30. November 1923, um Mitternacht, bei Mondenschein, just als die Turmuhr der bischöflichen Kathedrale 12 Uhr schlug, kam ich beim Tor der bischöflichen Residenz in Yanzhoufu an. Da kurze Rast und wieder weiter, im Maultierkarren, zum 30 km entfernten Regionalhaus der SVD in Daijia. Zu diesem Haus gehörte eine Volksschule, ein Lehrerseminar und eine Mittelschule (in der nahen Stadt Jining). In diesen drei Schulen lernte ich Chinesisch und unterrichtete gleichzeitig europäisches Lesen, Schreiben, Rechnen und Zeichnen; 1929 auch im bischöflichen Priesterseminar in Yanzhoufu.
1933 sandte mich Bischof Henninghaus nach Peking. Dort hatte die SVD eben die Leitung der Katholischen Universität Fu Jen (Furen) übernommen. An Ihr war ich dann durch 16 Jahre ,Lecturer in German, in Fine Arts and Head of the Section of Western Painting‘. Nebenbei auch Förderer der jungen chinesisch-christlichen Kunst. Darum verliess ich am 9. Jänner 1949. flog nach Shanghai, dann nach Hongkong, und am 16. August 1949 nach Rom."
Nach 26-jähriger Abwesenheit konnte Br. Berchmans seine Heimat, seine Geschwister in Wien und die Mitbrüder in St. Gabriel besuchen. Ab Jänner 1950 lernte er in Rom das Buchbinden, und von 1950 bis 1974 war er Pfleger der Generalats- und Kollegsbibliothek. Oft war er auch Museumsführer für die Gäste des Kollegs in Rom.
Am 2. Juli 1974 nahm er, bereits 82, Abschied von Rom und lebte in St. Gabriel, wo er in der Hausbibliothek mitarbeitete. Im Juli 1981 fesselte ihn ein Oberschenkelhalsbruch für den Rest seines Lebens ans Bett. Die lange Zeit der Bettlägerigkeit ertrug er mit ungebrochener Lebensfreude. Die beiden letzten Jahre seines langen Lebens waren zudem durch seine schwindende Hörfähigkeit belastet. Br. Franz Berchmans Brückner starb am 9. April 1985 und wurde am 12. April auf dem Friedhof von St. Gabriel begraben.
Die bleibende Bedeutung dieses österrei-chischen Ordensbruders für China liegt in der Anregung, die er den chinesischen christlichen Künstlern gegeben hat. In den Jahren 1933 bis 1948 haben in der Kunstabteilung der katholischen Furen Universität alle Schüler seine Kurse besucht: „Einführung in Westliche Malerei“, „Theorie der Westlichen Malkunst“,„Perspektive“, „Zeichnen und Malübungen“, oft hat er 25 Stunden pro Woche unterrichtet. Er hat die später zum Teil sehr bekannten chinesischen Maler Lukas Chen (Chen Yuandu), Wang Suda, Lu Hongnian und viele andere ausgebildet und begleitet. Mit seinem Vorschlag im Herbst 1934, an der Furen Universität eine Ausstellung mit Weihnachtsbildern im chinesischen Stil zu veranstalten, hat er dem neuen chinesischchristlichen Stil zum Durchbruch verholfen und den jungen Künstlern Selbstvertrauen eingeflösst, denn viele Bilder der Ausstellung wurden sofort verkauft. Br. Berchmans hat freundschaftlichen Kontakt zu den christlichen Malern in Peking gehalten.
Er hat keine eigenen Bücher verfasst, erhalten sind nur einige kurze Artikel von ihm, aber er hat in einer Fotomappe mehr als 350 Bilder dieser neuen Kunstschule gesammelt. Dies ist die umfangreichste Sammlung der „Ars Sacra Pekinensis“, deren Produktion auf insgesamt 2000 geschätzt wird, darunter viele Kopien. Der neue Stil der „chinesisch-christlichen Kunst“ lag in der Verbindung von traditionell chinesischem Ausdruck und der christlichen Thematik. Die katholische Kunstschule konnte sich nach 1949 nicht weiter entwickeln und ist auch in China selber unbekannt geblieben.
Ebenso unbekannt sind die Aquarelle und Skizzen, die Br. Berchmans in China gemacht hat. Alte Gebäude, Stadttore, Szenen aus der Vorstadt von Beijing, die einfachen Leute auf der Strasse haben ihn zu vielen reizvollen Bildern inspiriert. Die Originale sind im Archiv von St. Gabriel aufbewahrt. In diesem Bildband werden einige der Werke abgedruckt. Sie geben einen Eindruck vom Beijing der 1930er und 1940er. Auffällig ist, dass Br. Berchmans keine Bilder von belebten Strassen in Beijing oder grossartiger Kirchenarchitektur hinterlassen hat. Er hatte ein Auge für die schlichte Harmonie der kleinen Dinge, für die Schönheit von Bäumen und Toreingängen. Er war ein Mann der Stille und der Bescheidenheit. Deswegen atmen seine Werke auch den Geist seines ganzen Lebens: Selbstbescheidung, stille Freude, innerer Friede und Gottvertrauen auch in schwerer Zeit.